Erdgas vs. Biogas: Was ist nachhaltiger und günstiger?

Die Entscheidung zwischen Erdgas und Biogas wird immer wichtiger. Wir vergleichen Kosten, Umweltauswirkungen und Verfügbarkeit beider Energieträger detailliert.

Die Grundlagen: Was ist der Unterschied?

Erdgas und Biogas unterscheiden sich fundamental in ihrer Herkunft und Umweltbilanz. Während Erdgas ein fossiler Brennstoff ist, der über Millionen von Jahren aus organischen Materialien entstanden ist, wird Biogas durch die Vergärung organischer Stoffe in deutlich kürzerer Zeit produziert.

Erdgas: Der etablierte Energieträger

Erdgas besteht hauptsächlich aus Methan (CH₄) und wird durch Bohrungen aus unterirdischen Lagerstätten gefördert. In Deutschland stammt das meiste Erdgas aus Importen, vorwiegend aus Norwegen, den Niederlanden und über LNG-Terminals aus verschiedenen Ländern.

Vorteile von Erdgas:

  • Zuverlässige und konstante Verfügbarkeit
  • Etablierte Infrastruktur und Lieferketten
  • Relativ günstige Preise
  • Hoher Energiegehalt
  • Saubere Verbrennung im Vergleich zu Kohle und Öl

Nachteile von Erdgas:

  • Endliche Ressource
  • CO₂-Emissionen bei der Verbrennung
  • Methanemissionen bei Förderung und Transport
  • Importabhängigkeit Deutschlands
  • Preisvolatilität durch geopolitische Faktoren

Biogas: Der nachhaltige Hoffnungsträger

Biogas entsteht durch die anaerobe Vergärung organischer Materialien wie Energiepflanzen, landwirtschaftliche Abfälle, Klärschlamm oder Bioabfälle. Nach der Aufbereitung (Biomethan) kann es ins Erdgasnetz eingespeist werden.

Vorteile von Biogas:

  • Klimaneutral bei nachhaltiger Produktion
  • Lokale Wertschöpfung und Unabhängigkeit
  • Verwertung von organischen Abfällen
  • Regenerative und theoretisch unbegrenzte Ressource
  • Beitrag zur Kreislaufwirtschaft

Nachteile von Biogas:

  • Höhere Kosten als Erdgas
  • Begrenzte Verfügbarkeit
  • Konkurrenz zur Lebensmittelproduktion bei Energiepflanzen
  • Aufwendige Aufbereitungsverfahren
  • Schwankende Produktionsmengen

Kostenvergleich: Was kostet mehr?

Der Preisunterschied zwischen Erdgas und Biogas ist nach wie vor erheblich, hat sich aber in den letzten Jahren deutlich verringert.

Aktuelle Preissituation (Stand: Juni 2024)

Energieträger Preis pro kWh Jährliche Kosten (20.000 kWh) Preisunterschied
Erdgas 11,80 ct/kWh 2.360€ Basis
Biogas (10% Beimischung) 12,20 ct/kWh 2.440€ +3,4%
Biogas (100%) 15,80 ct/kWh 3.160€ +33,9%

Preisentwicklung und Prognosen

Die Preise für Biogas sind in den letzten fünf Jahren deutlich gesunken, während Erdgaspreise volatiler geworden sind. Experten erwarten folgende Entwicklungen:

  • 2024-2026: Erdgas bleibt günstiger, Preisabstand verringert sich weiter
  • 2027-2030: Biogas wird bei 10-20% Beimischung preislich konkurrenzfähig
  • Nach 2030: 100% Biogas könnte bei großer Skalierung preisgleich werden

Umweltbilanz: Der entscheidende Unterschied

Bei der Umweltbilanz zeigen sich die größten Unterschiede zwischen beiden Energieträgern.

CO₂-Emissionen im Vergleich

  • Erdgas: 201 g CO₂/kWh (inklusive Vorkette)
  • Biogas aus Abfällen: 18 g CO₂/kWh
  • Biogas aus Energiepflanzen: 45-85 g CO₂/kWh

Ein durchschnittlicher Haushalt mit 20.000 kWh Jahresverbrauch spart durch 100% Biogas etwa 3,6 Tonnen CO₂ pro Jahr ein – das entspricht der CO₂-Bindung von etwa 180 Bäumen.

Weitere Umweltaspekte

Erdgas:

  • Methanemissionen bei Förderung (25x klimaschädlicher als CO₂)
  • Landschaftseingriffe durch Pipelines
  • Wasserverbrauch bei Fracturing
  • Endliche Ressourcen werden verbraucht

Biogas:

  • Verwertung organischer Abfälle
  • Nährstoffkreislauf durch Gärrest-Düngung
  • Mögliche Monokulturen bei Energiepflanzen
  • Flächenkonkurrenz zur Lebensmittelproduktion

Verfügbarkeit und Infrastruktur

Erdgas: Etablierte Versorgung

Deutschland verfügt über ein flächendeckendes Erdgasnetz mit einer Länge von etwa 511.000 Kilometern. Die Versorgungssicherheit ist hoch, auch wenn die Importabhängigkeit Risiken birgt.

Erdgas-Infrastruktur:

  • Flächendeckende Pipeline-Infrastruktur
  • Mehrere LNG-Terminals in Betrieb
  • Strategische Gasspeicher mit 24 Mrd. m³ Kapazität
  • Etablierte Importwege aus verschiedenen Ländern

Biogas: Ausbaufähiges Potential

Deutschland hat etwa 9.500 Biogas-Anlagen mit einer installierten Leistung von 5.000 MW. Das theoretische Potential ist deutlich höher.

Biogas-Potential in Deutschland:

  • Aktuell: 10 Mrd. m³/Jahr (etwa 10% des Erdgasverbrauchs)
  • Technisches Potential: 35-45 Mrd. m³/Jahr
  • Nachhaltiges Potential: 20-25 Mrd. m³/Jahr (ohne Flächenkonkurrenz)

Technologische Entwicklungen

Power-to-Gas: Die Zukunft der Gasversorgung

Eine vielversprechende Technologie ist Power-to-Gas, bei der überschüssiger Ökostrom zur Produktion von synthetischem Methan genutzt wird. Dies könnte langfristig sowohl Erdgas als auch konventionelles Biogas ersetzen.

Vorteile von Power-to-Gas:

  • 100% klimaneutral bei Ökostrom-Nutzung
  • Speicherung erneuerbarer Energien
  • Nutzung bestehender Gasinfrastruktur
  • Sektorenkopplung zwischen Strom und Gas

Wasserstoff-Beimischung

Die Beimischung von grünem Wasserstoff zum Erdgas ist eine weitere Option zur CO₂-Reduzierung. Bis zu 10% Wasserstoff sind in den meisten Gasnetzen ohne größere Anpassungen möglich.

Anbieter und Tarife im Vergleich

Erdgas-Anbieter (Auswahl)

  • E.ON: Verschiedene Tarife, teilweise mit Biogas-Beimischung
  • RWE: Klassische Erdgas-Tarife, Ökogas-Optionen verfügbar
  • EnBW: Erdgas-Basis plus klimaneutrale Tarife
  • Vattenfall: Erdgas mit CO₂-Kompensation

Biogas-Spezialist (Auswahl)

  • Naturstrom AG: 100% Biogas aus deutschen Anlagen
  • Greenpeace Energy: 100% Windgas (Power-to-Gas)
  • Polarstern: 100% Biogas aus organischen Reststoffen
  • EWS Schönau: Biogas aus regionaler Erzeugung

Praktische Entscheidungshilfe

Erdgas ist die richtige Wahl, wenn Sie...

  • Kosteneinsparung als oberste Priorität haben
  • Planungssicherheit bei Energiekosten benötigen
  • In einer Region mit begrenzter Biogas-Verfügbarkeit leben
  • Schrittweise auf nachhaltiges Gas umsteigen möchten

Biogas ist die richtige Wahl, wenn Sie...

  • Klimaschutz als wichtigstes Kriterium sehen
  • Lokale Wertschöpfung unterstützen möchten
  • Bereit sind, einen Aufpreis für Nachhaltigkeit zu zahlen
  • Ein Zeichen für die Energiewende setzen wollen

Kompromisslösungen

Viele Anbieter bieten Zwischenlösungen an:

  • Biogas-Beimischung (5-20%): Moderater Aufpreis, spürbare CO₂-Einsparung
  • Klimaneutrales Erdgas: CO₂-Kompensation durch Zertifikate
  • Regionale Mischprodukte: Kombination aus lokalem Biogas und Erdgas

Zukunftsperspektiven bis 2050

Die EU-Klimaziele und das deutsche Ziel der Klimaneutralität bis 2045 werden die Gasversorgung fundamental verändern:

Szenario bis 2030

  • Erdgas bleibt dominanter Energieträger
  • Biogas-Anteil steigt auf 15-20%
  • Power-to-Gas beginnt kommerziellen Betrieb
  • Wasserstoff-Beimischung wird Standard

Szenario 2030-2045

  • Biogas deckt 30-40% des Gasbedarfs
  • Power-to-Gas wird zum wichtigen Baustein
  • Wasserstoff-Anteil steigt auf 20-30%
  • Erdgas wird schrittweise durch grüne Gase ersetzt

Szenario ab 2045

  • 100% klimaneutrales Gas durch Mix aus Biogas, Power-to-Gas und Wasserstoff
  • Erdgas nur noch für industrielle Prozesse oder mit CCS-Technologie
  • Regionale Gasnetze werden zu grünen Gas-Hubs

Fazit: Die Entscheidung hängt von Ihren Prioritäten ab

Erdgas und Biogas haben beide ihre Berechtigung in der aktuellen Energielandschaft. Erdgas bietet heute noch Kostenvorteile und hohe Versorgungssicherheit, während Biogas deutlich klimafreundlicher ist und zur Energieunabhängigkeit beiträgt.

Für umweltbewusste Verbraucher ist Biogas trotz der höheren Kosten oft die bessere Wahl. Der Aufpreis von 200-800€ pro Jahr ist angesichts des Klimanutzens für viele Haushalte vertretbar. Wer nicht den vollen Umstieg wagen möchte, kann mit Biogas-Beimischung oder klimaneutralem Erdgas einen Kompromiss eingehen.

Langfristig führt kein Weg an grünen Gasen vorbei. Verbraucher, die heute in Biogas investieren, sind Vorreiter einer Entwicklung, die in den nächsten Jahren an Fahrt aufnehmen wird. Die Kosten werden weiter sinken, während die Umweltvorteile bestehen bleiben.

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